© 2004 – Hauskreisarbeit der Evang. Landeskirche, Württ.
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Perspektiven Nr. 37
Erster Brief an die Hauskreise
... die sich zu "Botschafts-Zentren Christi"
entfalten möchten
von Jens Plinke
Ich gratuliere den Hauskreisen im Land:
Es hat wohl noch nie so viel allgemeine
Zustimmung zu Hauskreisen gegeben im Raum der Landeskirche wie in letzter Zeit:
- Bei jeder Aktion „neu anfangen" kommt
irgendwann ein Ruf nach Hauskreisen: Wenn nämlich die oft überraschend stabilen
Gesprächsgruppen nach einer Fortsetzung verlangen - wo könnte das dann besser
geschehen als in Hauskreisen.
- Landesbischof Eberhard Renz in seinem Grußwort zu unserem letzten
Landes-Hauskreistag: „Die Hauskreise stellen ein wichtiges Ferment kirchlicher
Lebensäußerung dar... damit Christen in unserer herausfordernden Gegenwart ihr
Identität finden können... Mein Wunsch ist, dass dies auch von den Gemeinden
noch stärker als bisher empfunden und bejaht wird."
- Wo immer man über „Gemeindeaufbau und -entfaltung" nachdenkt, spielen
Hauskreis-ähnliche Zellen eine besondere Rolle als Grundbestand einer „Kirche
mit Zukunft". Warum? Weil man spürt: „Die frohe Botschaft Jesu ist für die
Kirche das Licht des Glaubens, das in der Welt leuchtet!" - Gewiss! Aber
ist nicht die Lebenswelt der Sauerstoff der Kirche, der das Licht zum Leuchten
bringt? Und wo findet mehr zur Lebenswelt und zum Alltag der Menschen statt,
als in deren Wohnzimmern?
Ich stelle fest: Die Zustimmung außerhalb der Hauskreise zu den Hauskreisen ist
im Wachsen.
Die Stimmung innerhalb der Hauskreise ist nicht so eindeutig auszumachen:
Statistisch lässt sich belegen, dass Hauskreise - was das Alter ihrer
Teilnehmer angeht - um einiges jünger sind als etwa die Gottesdienst-Gemeinden
- ca. 50% zwischen 25 und 50 Jahre; über 30% Männer in den Hauskreisen - das
sind fast „traumhafte" Zahlen für Kirchengemeinden. Vielleicht nur zu
erreichen, wenn der Gemeindeaufbau der Kirche der Zukunft viel mehr noch über
Hauskreise geschieht.
Worüber ich mich als Hauskreis-Beauftragter der Landeskirche immer wieder
wundere:
Da gibt es viele Christen - und deren Lebensstil weist sich vor den anderen
dadurch aus, dass sie in einen Hauskreis gehen - und das scheint ihnen auch
irgendwie gut zu tun -, und man tut doch nichts, um bei anderen zu werben für
die Hauskreis-Idee - zu erzählen, was einem gut tut am eigenen Hauskreis.
Gibt es einen heimlichen Zusammenhang zwischen dem Eifer, auch andere für das
Hauskreis-Christsein zu erwärmen und dem Grad, wie jung man sich geistlich
fühlt in seinem Hauskreis?
Dabei ist es leichter, sich jung zu fühlen in einem neuen Hauskreis:
Was kann man dann für ein glühender Liebhaber Christi sein und miteinander in
Leidenschaft entbrennen fürs Reich Gottes und seine wunderbaren Möglichkeiten -
und gespannt darauf sein, was das dem eigenen Hauskreis, dem eigenen Christsein
bringen wird.
Aber irgendwann ist die Spannung der ersten Liebe zueinander du für die
Möglichkeiten Gottes weg. Man ist halt „in die Jahre gekommen". Nun fühlt
man sich allenfalls noch als „Ernährer des gewordenen Hauskreises" und die
eigenen Kräfte dazu zehren sich aus.
Bei meinen Reisen zu den Hauskreisen im Land kann ich es zunächst oft schwer
ausmachen: Ist das „Ernüchterung", „Auf-der-Stelle-treten" o.ä. -
Längst fühlt man sich nicht mehr geistlich jung - und man beginnt sich heimlich
zu freuen, wenn der Hauskreis hin und wieder mal ausfällt.
Beobachte ich es richtig?
Entgegen der wachsenden Wertschätzung der Hauskreise von außerhalb leiden im
Inneren nicht wenige der Hauskreise selber unter dem Gefühl ihrer geistlichen
Armseligkeit. In wie vielen Hauskreisen mag wohl ein unausgesprochenes
Schamgefühl regieren - wenn nicht ein heimlicher Groll darüber - dass Gott
nicht mehr ausschüttet aus dem Reich seiner großartigen Möglichkeiten - und dadurch
den Hauskreis „großartiger", „attraktiver" und „anziehender nach
außen" macht.
Ich finde, es wird viel zu wenig darüber geredet unter uns Christen - was diese
heimlichen Enttäuschungen über Gottes Zurückhaltung angeht - und wie man
allmählich dann als Christ darauf mit geistlicher Zurückhaltung reagiert!
Seit Wochen bete ich zum Herrn: „Was soll ich denen denn sagen auf dem
Landes-Hauskreistag - wenn offensichtlich vielerorts unter Christen die Luft
und Lust der Erwartung an deine Möglichkeiten erschöpft ist, Herr?"
Immer wieder kam ich mir dabei vor wie Maria, als der Wein ausgegangen war auf
der Hochzeit zu Kana und sie ihren Sohn Jesus drängte: „Tu doch was! Du kannst
es doch, wunderbar wirken!" Und Jesu Reaktion dann: MEINE ZEIT IST NOCH
NICHT GEKOMMEN!
Und damit musste Maria zunächst leben - fragt sich nur: wie? Mit Zurückhaltung?
- Sie ruhte sich an diesem Satz Jesu nicht einfach aus.
„Stellt schon einmal Steinkrüge der Erwartung bereit!"
Also bin auch ich in Erwartungshaltung Gott gegenüber geblieben:
„Herr, wir wollen uns da in Waiblingen an unserem Christsein freuen - es
feiern! Soll ich dann den ernüchterten Hauskreisen sagen: Gottes Zeit ist noch
nicht gekommen für Zeichen seiner großartigen Möglichkeiten?"
Und dann spürte ich genau, als der Herr reagierte - ich saß gerade auf dem
Fahrrad: „Du kannst deinen Hauskreisen im Land doch von einem Wunder
erzählen..." - „Wie bitte? Woran denkst du, Herr?" - „Und woran
denkst du persönlich beim Stichwort WUNDER?" - „Na, höchstens an meine
drei Finger der rechten Hand, die waren plötzlich wie taub geworden und nun
habe ich neues Fingerspitzengefühl bekommen!" - „Na siehst du, das ist
doch was!"
„Ja, Herr, das kann ich doch denen in Waiblingen nicht als Wunder Gottes
ausgeben - oder? Das war doch eher das wunderbare Werk der
Krankengymnastik."
„Dann erzähl deinen Hauskreisen einfach, was du während deiner Behandlung
erlebt hast - ich bin sicher, sie bekommen dann Sehnsucht nach dem Reich meiner
wunderbaren Möglichkeiten."
Und nun erzähle ich euch also aus der Welt der Krankengymnastik:
- Von der wohltuenden Fango-Wärmebehandlung, mit der auf die problematischen
Stellen zunächst eingegangen wurde
- Von der herausfordernden Massage, mit der die Schmerzpunkte angegangen wurden
- Und schließlich von den Ganzkörper-Dehnübungen - sozusagen
Haltungs-Einübungen für einen neuen Lebensstil für alle möglichen
Lebenssituationen.
„Na, und jetzt, Herr?", könnte man irritiert fragen.
„Zeig ihnen deine drei Finger!"
„Das sieht ja dann aus wie eine Schwurhand."
„Warum nicht? Deine Hauskreise werden das schon verstehen, wenn du sie fragst,
wozu sie bereit sind in nächster Zeit."
Und was soll ich sagen: Da hab ich was von Gott her kapiert, und frage jetzt:
Wozu seid ihr bereit? Wollt ihr euch einrichten in wohltuender Wärmebehandlung
von Gott her - dass ihr spürt: Ihr seid zunächst einmal gut so, wie ihr seid
unter der Gnadensonne Gottes?
Wie verständlich ist es, dass man sich auch unter Christen sehnt - inmitten
eines hektischen Lebens - sehnt nach einem Kreis von Vertrauten, Mitchristen,
bei denen man einfach mal zur Ruhe und ins Vertrauen kommen kann. Und kein
Hauskreis muss sich verstecken in seiner gewissen Armseligkeit - vor Gott nicht
und vor den anderen Christen schon gar nicht!
So rufe ich im Namen Gottes über den Hauskreisen in Württemberg ein Gnadenjahr
aus. In dem kann man sich wärmebehandeln lassen unter der Gnadensonne Gottes
und darüber allen christlichen Leistungsstress einmal loslassen!
Auch mein zweiter Finger lässt mich fragen: Wozu seid ihr Hauskreise bereit?
Darf Christus - wie bei einer Massage - an eure Schmerzpunkte heran -
vielleicht gerade auch an jenes „Meine Zeit ist noch nicht gekommen"? Ich
weiß, dass es weh tut!
Eine solche Enttäuschung erfährt ein Christ und sein Hauskreis nicht nebenbei.
So etwas verwandelt den Glauben, das Lieben und das Hoffen oft unmerklich unter
einem Grauschleier der Erwartungslosigkeit. Also, liebe Hauskreise: Tut das,
was Maria tat: Stellt in die Mitte eines jeden Hauskreis-Abends überall, wo
Christsein sich erheben möchte aus Resignation und Gelähmtheit - stellt - die
Enttäuschung noch in den Ohren - die Krüge eurer Erwartung bereit, bis sie
gefüllt werden mit neuen Möglichkeiten von Gott her.
Und da ist nun noch mein dritter Finger: Der dritte Finger - er steht für
Dehnübungen, Haltungs-Einübungen für einen neuen Lebensstil in allen möglichen
Lebenssituationen.
Tatsächlich: Christus kam ja nicht nur, uns eine neue Lehre zu bringen -
sondern um uns auch für eine Lebensweise öffnen. Einen jeden von uns wollte er
bei der Hand nehmen und ihm ein neues Leben (aus dem Reich der Möglichkeiten
Gottes) lehren - immer weiter über den Hauskreis hinaus? Bereit, eine neue
Beweglichkeit einzuüben für einen bewussteren Lebensstil im Sinne Jesu?
Womit das beginnt, solch eine Dehnübung in den Alltag hinein? Paulus bringt es
seit fast 2000 Jahren auf den Punkt:
„So bitten wir an Christi statt: Lasst euch wieder versöhnen mit Gott!" -
Geradezu herausversöhnen aus eurer Resignation darüber, dass es in eurem
Hauskreis nicht immer so aussieht, als habe er direkten Zugang zum Reich der
wunderbaren Möglichkeiten Gottes.
Lasst euch versöhnen mit Gott ... und werdet darüber zu Botschaftern seiner
Botschaft! - so schreibt es Paulus.
Also: Was kann man schreiben auf seine Erwartungskrüge in der Hauskreis-Mitte?
Warum nicht ganz tapfer: „Ja, wir wollen Botschafter Christi werden. Wir sind
bereit, im beginnenden Gnadenjahr der württembergischen Hauskreise aus unserer
geistlichen Zurückhaltung herauszutreten! Ja, wir sind bereit, unsere Hauskreise
zu Botschaftszentren Christi sich entfalten zu lassen!"
Botschafter Christi sind Jesu Diplomaten in fremdem Land - in einer oft sehr
befremdlichen Lebenswelt.
Was das heißt, möchte ich euch gerne in mehreren Briefen an die
Botschafts-Zentren Christi entfalten und in den nächsten PERSPEKTIVEN
veröffentlichen.
Vielleicht, dass Leute um euch herum eure Hauskreis-Entfaltung zu Botschaftern
Christi zunächst nicht recht verstehen können - wie beim Speisemeister auf der
Hochzeitsfeier zu Kana ja auch - der sich nur kurz dann wundern wird, dass die
Krüge wider Erwarten erstaunlich gefüllt wurden.
Jedoch ihr in den neuen Botschafts-Zentren Christi - ihr seid es, die dann
merken, woher der Wein in euren Krügen der Erwartung stammt. Und ihr feiert es
miteinander.
Botschafter Christi hören auf, Gott um Segen zu bitten für das, was sie von ihm
erwarten - aber sie werden bereit, zu erwarten, was Gott segnet - von ihren
Botschafts-Zentren aus - mitten im Leben einer Kirchengemeinde und ausstrahlend
in unsere ganze Lebenswelt.
Jens Plinke