© 2004 Hauskreisarbeit der Evang. Landeskirche, Württ.
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Perspektiven Nr. 43
Das biblische Wort - 1. Korinther 12, 12-20.26.27
"Denn wie der Leib einer ist und
doch viele Glieder hat ... so auch Christus"
Zwei Zeitgenossen sind in ein heftiges Streitgespräch verwickelt.
Es geht ums Thema Christentum, um seine Herkunft, seinen Anspruch und um den,
dessen Namen es trägt. Schließlich kommt die provozierende Aufforderung:
"Na, dann beweise du mir doch einmal, dass dieser Jesus noch lebt. Dass es
ihn gegeben hat, das glaube ich ja. Dann seit ihr Christen eben Anhänger eines
sagenumwobenen Menschen. Aber dass er heute noch lebt, das kann ich nicht
glauben. Das musst du mir erst noch beweisen."
Was würden Sie da antworten? Darüber könnte es zunächst einmal eine Runde in
Ihrem Hauskreis geben.
Vielleicht argumentieren Sie mit Ihrer Erfahrung:
"Ich habe gebetet und mein Gebet wurde erhört. Das ist mir Beweis
genug."
Vielleicht argumentieren Sie mit der Tradition: "Was 2000 Jahre überdauert
hat, das kann doch so schlecht nicht sein. Da muss Gott doch hinter stehen oder
?".
Paulus könnte sagen: "Schau Dir die Kirche an, dann siehst Du, dass er
lebt. Die Kirche - das ist der lebendige Christus in Person.
Er sagt nämlich: "Denn wie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat
... so auch Christus." ....
Die Gemeinde ist der Christus, ist sein Leib. Halten Sie es fest, liebe
Gemeinde, über allem, was in dieser Predigt noch zu sagen ist: Die Gemeinde ist
der Christus, sein Leib.... Wenn das aber so ist, dann gilt dreierlei:
1. Die Gemeinde ist der Christus, sein Leib und hat deshalb viele Glieder.
Paulus schreibt an eine Gemeinde, in der die Meinungen stark auseinander gehen,
in der es nicht nur Streit sondern auch Spaltung gibt, wo man sich im besten
Sinne des Wortes aus-einander-setzt. Und er möchte der Gemeinde Mut machen,
sich zunächst einmal daran zu freuen, dass sie viele sind.....
Es ist schon faszinierend, wie bei der Zeugung eines Menschen aus zwei Zellen
einer Funktion sich unzählige Zellen bilden, die später einmal eine ganz andere
Aufgabe übernehmen werden. Da ist nach wenigen Wochen schon klar: Diese Zelle
wird einmal Teil des Herzen und Blut durch den Körper pumpen. Eine andere Zelle
gleichen Ursprungs wird einmal Teil eines Knochens sein. Eine andere Zelle überspannt
mit vielen zusammen den Körper als Teil der Haut. Wieder andere Zellen bilden
das Auge, damit Lichtreize von außen eindringen usw.. Blieben die beiden
Zellen, was sie sind, dann entstünde gerade kein lebendiger Organismus.
So auch in der Gemeinde. Sie entsteht gerade nicht durch Gleichschaltung, in
dem die Persönlichkeit des einzelnen ausgelöscht wird, sondern die Vielfalt
macht den Leib lebendig.
Wir sind viele, weil es keine Altersgrenze gibt, weder nach oben noch nach
unten. Bei einem Familiengottesdienst wird das so schön sichtbar, so schwierig
es dann auch ist, die Kleinen und die Großen bei der Stange zu halten. ....Wir
sind viele, weil jeder in seiner Art begabt ist.
Der eine kann vorne stehen und etwas sagen, ein anderer setzt es um in seiner
Familie und in der Nachbarschaft. Der eine kann Dinge in die Hand nehmen, ein
anderer braucht Impulse, zieht aber gerne mit. Der eine ist rasch und
zielstrebig, stellt etwas Tolles auf die Beine, ein anderer hat auch die im
Blick, die in Gefahr stehen abzuhängen. Jeder ist anders, aber jeder ist
willkommen.
Im Leib Christi sind wir viele und weil wir viele sind, ist es ein lebendiger
Leib. Wer sich der Menge entzieht, sich sozusagen selbst amputiert, läuft
Gefahr abzusterben. Teil des Leibes Christi kann man nur bleiben, wenn man die
Verbindung hält. Deshalb tragen wir, die wir uns versammeln können,
Verantwortung für alle, die aus diesem oder jenem Grund nicht unter uns sind.
Genau genommen fragt der Predigttext uns nach unserem Bruder oder unserer Schwester.
Schmerzt es uns, dass sie nicht da sind? Wissen wir, warum sie nicht kommen,
nicht aus Neugier, sondern aus Sorge? Wird es uns schmerzen, wenn die
Konfirmanden, die jetzt immer mal wieder unter uns sind, nach der Konfirmation
nicht mehr da sind? Werden sie uns fehlen? Werden wir uns fragen, warum sie
wegbleiben? Oder haben wir uns daran schon so gewöhnt, dass wir es gar nicht
anders erwarten?
Zwischenüberlegung für die Hauskreise
Können Sie das eben gelesene übertragen auf Ihren Hauskreis und sein Miteinander
?
Was fällt Ihnen auf ?
2. Die Gemeinde ist der Christus, sein Leib und hat deshalb verschiedene
Glieder.
Die Betonung liegt auf "verschiedene". Ein Leib kann nur leben, wenn
die Glieder und Organe ihrer unterschiedlichen Bestimmung gemäß leben.
Gleichmacherei ist tödlich.
Folgende Anekdote mag es deutlich machen:
"Die Werkzeuge des Schreiners waren zu einer Besprechung zusammengekommen.
Eigentlich sollte der Hammer die Leitung übernehmen, aber er wurde schnell
wieder abgewählt, denn er sei zu grob und zu lärmend, war die allgemeine
Meinung. Der Hammer erhob sich mit gekränkter Miene, wollte die Versammlung
unter Protest verlassen und bemerkte: Dann muss auch der Hobel gehen; er ist
immer so oberflächlich.
Schön, sprach der Hobel, dann nehme ich den Bohrer mit. Er ist eine
uninteressante Person, die nie etwas Aufbauendes zustande bringt. Der Bohrer
meinte dazu: Gut, ich gehe. Aber dann gehört die Schraube auch nicht hierher,
sie dreht sich x-mal um sich selbst, bis sie an ihr Ziel kommt.
Wie aber ist es dann mit dem Maßstab, fragte die Schraube. Du, Maßstab urteilst
doch nur über andere, alle müssen sich nach dir richten. Der Maßstab klagte
daraufhin über das Schmirgelpapier, es habe zu raue Manieren und ständig
Reibereien mit anderen. -
Mitten in diese erregte Diskussion trat der Schreinermeister herein. Er ging
zur Werkbank und fing an, mit Hammer und Hobel, Bohrer und Schraube, mit
Maßstab und Schmirgelpapier und allen anderen Werkzeugen zu arbeiten. Er wusste
sehr wohl, dass er alle seine Werkzeuge gut gebrauchen konnte und zwar jedes in
seiner Art.
Nicht anders ist es in der Gemeinde. Wir können natürlich viel Zeit und Kraft
investieren, indem wir uns wundern und ärgern über die andere Art und die
andere Begabung der Mitchristen um uns. Warum der eine so viel redet und der
andere nicht aus sich herausgeht, warum der eine immer so pünktlich ist und der
andere immer zu spät kommt, warum der eine im Jugendkreis schnell eine Aufgabe
übernimmt und der andere sich lieber zurückhält.usw.
Wir können uns darüber ärgern und es ist nicht damit getan, dass wir über die
Unterschiede den Mantel der Liebe decken. Wir können aber auch das Gute sehen
und das Gutes daran ausschöpfen:
Wird nicht der Pünktliche im Kreis noch Zeit haben, den Raum zu richten? Ist
nicht der andere zu spät, weil er daran gedacht hat, noch bei jemandem
anzurufen, der schon lange nicht mehr gekommen ist? Kann nicht der, der viel
redet, auch leicht auf andere zugehen, Gäste ansprechen, Peinlichkeiten
überbrücken? Hat der der schweigt, vielleicht einen tieferen Blick für den, der
über seine Not gerade nicht reden kann?
Nicht die Unterschiedlichkeit ist das eigentliche Problem der Gemeinde sondern
die Art, wie wir damit umgehen. Paulus sagt: Es gibt zwei Fehlwege, die
einander genau entgegengesetzt sind.
- Der eine sagt: Weil ich nicht kann, was der andere tut, bin ich kein Teil der
Gemeinde. So jemand versteckt sich hinter wirklicher oder vorgeschobener
Bescheidenheit. Vielleicht hat man es ihm aber auch einfach schon oft genug
gesagt: "Du kannst nichts und aus dir wird nichts." Aber gerade in
der Gemeinde gilt: "Du kannst nichts?" - gibt`s nicht!
- Die andere Falle, die andere Seite des Pferdes, auf der man herunterfallen
kann, lautet: Weil du nicht bist wie ich, bist du nicht Teil der Gemeinde.
Kein Kopf sagt zum kleinen Finger: Dich brauche ich nicht, weil du nicht denken
kannst. Wie denn soll der Kopf sein Denken umsetzen, wenn er seine Finger nicht
hat. ..Kein Herz sagt zu den Beinen: Euch brauche ich nicht, ihr seid mir zu
weit weg. Nein, ohne Bewegung fällt der Blutdruck ab, das Herz wird schlaff und
müde.
Für unseren Körper leuchtet es ein. Und - so sagt uns Paulus - in der Gemeinde
ist es nicht anders....
Vielleicht wächst in unseren Gemeinden so wenig, weil wir ständig dabei sind,
einander durch Kritik und Misstrauen zu beschneiden, weil wir es in unserer
Selbstverliebtheit nicht schaffen, den anderen groß rauskommen zu lassen statt
uns selbst zu profilieren.
Zwischenüberlegung:
Noch einmal halten Sie miteinander inne und überlegen, inwieweit das eben
bedachte für Ihr Miteinander im Hauskreis wichtig sein kann.- Zu welchem der
zwei Fehlwege neigen Sie persönlich vielleicht mehr ? Hat Ihnen Ihr Hauskreis
dabei geholfen ?
3. Die Gemeinde ist der Christus, sein Leib und deshalb sind die Glieder
füreinander da.
Das gilt als Ermahnung für die beiden, für die, die sich hinter anderen
verstecken und für die, die sich gerne in den Vordergrund rücken. Was uns als
Gabe und Begabung gegeben ist, ist dazu da, dass es den anderen zugute kommt.
Wir wissen alle sehr genau, dass Muskeln, die nicht eingesetzt werden, mit der
Zeit erschlaffen. Darunter leiden alle Kranken, das betrifft alle Teile unseres
Körpers, sei es der kleine Finger oder der Oberschenkel, der Bizeps oder die
Rückenmuskulatur. Sie brauchen alle Bewegung, sie müssen eingesetzt werden, um
ihre Kraft zu entfalten.
So wird auch jede Gabe verkümmern, die nicht zum Einsatz kommt in der
Gemeinschaft, in der wir stehen.
Es gibt einen "Verlern-effekt", wenn wir glauben uns zurückhalten zu
müssen, nur weil uns das in Demut geboten scheint. Demut ist gerade das andere.
Demut ist der Mut zu dienen... Wer es tut, wer seinen Beitrag bringt, wird
merken, dass er daran wächst, wie auch die anderen zusammenwachsen.
Unsere Gaben sind für die anderen da, das gilt auch denen, die ihre Begabungen
wohl kennen und sicher mit ihnen auch in der Öffentlichkeit umgehen. Gaben
unseres Gottes werden dann erst richtig wertvoll, wenn sie den anderen
nützen... In der Gemeinde geht es nicht darum, dass der eine den anderen in den
Schatten stellt, sondern dass einander das Leuchten Christi zugänglich
machen....
Wenn es um unseren Leib geht, dann setzen wir so manches ein, damit er fit und
gesund bleibt. Da hören wir auf die Schmerzsignale und gehen ihnen nach, auch
wenn es bisweilen dauern kann, bis die Ursache gefunden ist....
Ist die Gemeinde ein Leib, dann müssten da nicht minder Schmerzsignale zu hören
sein -
Zwischenüberlegung:
Nehmen Sie in Ihrer Runde auch "Schmerzsignale" wahr über Ihre
Gemeinde ? Ob Sie im Hauskreis miteinander überlegen, wo Ihre Gemeinde evt.
Hilfestellung benötigt, damit es dort noch mehr zu einem Team- und
Gaben-Bewusstsein kommt? - Ob Ihr Hauskreis sich aus seinen eigenen Erfahrungen
heraus einbringen könnte?
"Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit"... Für Christi
Gemeinde gilt in einem tiefen Sinne: Was wir einander tun, kommt letztlich uns
selbst zugute. Was wir einander vorenthalten, lässt die Gemeinde müde und
schlaff werden. Wenn wir z.B. aufhören füreinander zu beten, enthalten wir
einander die guten Gaben Gottes vor. Wenn einer z.B. an Gott irre wird, bricht
vielleicht noch ein anderer mit ein. Gewinnt aber einer auch in der Not einen
festeren Glauben, dann hat`s der Nächste leichter, der ins Fragen kommt. Wird einer
auf einem schweren Weg getröstet, tröstet sich der andere mit.
Die Gemeinde ist der Christus, sein Leib: deshalb sind wir einander nah wie
Glieder an einem Leib, ob es uns bewusst ist oder nicht. ... weil wir einander
Helfer sind auf dem Weg zum Ziel, weil wir miteinander den widerspiegeln, der
sie geschaffen und erlöst hat: nämlich Christus.
(Diese
Predigt hat Pfarrerin Maike Sachs am 21. Sonntag nach Trinitatis 2002 in der
Lonsinger Kirche gehalten. Sie ist zZt. Pfarrerin im Amt für miss. Dienste, Stuttgart
und gelegentliche Autorin in "Bibel aktuell". Sie ist hier leicht
gekürzt für die Hauskreis-Situation abgedruckt. )