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Perspektiven Nr. 43
Das biblische Wort - 1. Korinther 12, 12-20.26.27

"Denn wie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat ... so auch Christus"

Zwei Zeitgenossen sind in ein heftiges Streitgespräch verwickelt. Es geht ums Thema Christentum, um seine Herkunft, seinen Anspruch und um den, dessen Namen es trägt. Schließlich kommt die provozierende Aufforderung: "Na, dann beweise du mir doch einmal, dass dieser Jesus noch lebt. Dass es ihn gegeben hat, das glaube ich ja. Dann seit ihr Christen eben Anhänger eines sagenumwobenen Menschen. Aber dass er heute noch lebt, das kann ich nicht glauben. Das musst du mir erst noch beweisen."
Was würden Sie da antworten? Darüber könnte es zunächst einmal eine Runde in Ihrem Hauskreis geben.
Vielleicht argumentieren Sie mit Ihrer Erfahrung:
"Ich habe gebetet und mein Gebet wurde erhört. Das ist mir Beweis genug."
Vielleicht argumentieren Sie mit der Tradition: "Was 2000 Jahre überdauert hat, das kann doch so schlecht nicht sein. Da muss Gott doch hinter stehen oder ?".
Paulus könnte sagen: "Schau Dir die Kirche an, dann siehst Du, dass er lebt. Die Kirche - das ist der lebendige Christus in Person.
Er sagt nämlich: "Denn wie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat ... so auch Christus." ....
Die Gemeinde ist der Christus, ist sein Leib. Halten Sie es fest, liebe Gemeinde, über allem, was in dieser Predigt noch zu sagen ist: Die Gemeinde ist der Christus, sein Leib.... Wenn das aber so ist, dann gilt dreierlei:

1. Die Gemeinde ist der Christus, sein Leib und hat deshalb viele Glieder.
Paulus schreibt an eine Gemeinde, in der die Meinungen stark auseinander gehen, in der es nicht nur Streit sondern auch Spaltung gibt, wo man sich im besten Sinne des Wortes aus-einander-setzt. Und er möchte der Gemeinde Mut machen, sich zunächst einmal daran zu freuen, dass sie viele sind.....
Es ist schon faszinierend, wie bei der Zeugung eines Menschen aus zwei Zellen einer Funktion sich unzählige Zellen bilden, die später einmal eine ganz andere Aufgabe übernehmen werden. Da ist nach wenigen Wochen schon klar: Diese Zelle wird einmal Teil des Herzen und Blut durch den Körper pumpen. Eine andere Zelle gleichen Ursprungs wird einmal Teil eines Knochens sein. Eine andere Zelle überspannt mit vielen zusammen den Körper als Teil der Haut. Wieder andere Zellen bilden das Auge, damit Lichtreize von außen eindringen usw.. Blieben die beiden Zellen, was sie sind, dann entstünde gerade kein lebendiger Organismus.

So auch in der Gemeinde. Sie entsteht gerade nicht durch Gleichschaltung, in dem die Persönlichkeit des einzelnen ausgelöscht wird, sondern die Vielfalt macht den Leib lebendig.
Wir sind viele, weil es keine Altersgrenze gibt, weder nach oben noch nach unten. Bei einem Familiengottesdienst wird das so schön sichtbar, so schwierig es dann auch ist, die Kleinen und die Großen bei der Stange zu halten. ....Wir sind viele, weil jeder in seiner Art begabt ist.
Der eine kann vorne stehen und etwas sagen, ein anderer setzt es um in seiner Familie und in der Nachbarschaft. Der eine kann Dinge in die Hand nehmen, ein anderer braucht Impulse, zieht aber gerne mit. Der eine ist rasch und zielstrebig, stellt etwas Tolles auf die Beine, ein anderer hat auch die im Blick, die in Gefahr stehen abzuhängen. Jeder ist anders, aber jeder ist willkommen.
Im Leib Christi sind wir viele und weil wir viele sind, ist es ein lebendiger Leib. Wer sich der Menge entzieht, sich sozusagen selbst amputiert, läuft Gefahr abzusterben. Teil des Leibes Christi kann man nur bleiben, wenn man die Verbindung hält. Deshalb tragen wir, die wir uns versammeln können, Verantwortung für alle, die aus diesem oder jenem Grund nicht unter uns sind.
Genau genommen fragt der Predigttext uns nach unserem Bruder oder unserer Schwester. Schmerzt es uns, dass sie nicht da sind? Wissen wir, warum sie nicht kommen, nicht aus Neugier, sondern aus Sorge? Wird es uns schmerzen, wenn die Konfirmanden, die jetzt immer mal wieder unter uns sind, nach der Konfirmation nicht mehr da sind? Werden sie uns fehlen? Werden wir uns fragen, warum sie wegbleiben? Oder haben wir uns daran schon so gewöhnt, dass wir es gar nicht anders erwarten?

Zwischenüberlegung für die Hauskreise
Können Sie das eben gelesene übertragen auf Ihren Hauskreis und sein Miteinander ?
Was fällt Ihnen auf ?

2. Die Gemeinde ist der Christus, sein Leib und hat deshalb verschiedene Glieder.
Die Betonung liegt auf "verschiedene". Ein Leib kann nur leben, wenn die Glieder und Organe ihrer unterschiedlichen Bestimmung gemäß leben. Gleichmacherei ist tödlich.
Folgende Anekdote mag es deutlich machen:
"Die Werkzeuge des Schreiners waren zu einer Besprechung zusammengekommen. Eigentlich sollte der Hammer die Leitung übernehmen, aber er wurde schnell wieder abgewählt, denn er sei zu grob und zu lärmend, war die allgemeine Meinung. Der Hammer erhob sich mit gekränkter Miene, wollte die Versammlung unter Protest verlassen und bemerkte: Dann muss auch der Hobel gehen; er ist immer so oberflächlich.
Schön, sprach der Hobel, dann nehme ich den Bohrer mit. Er ist eine uninteressante Person, die nie etwas Aufbauendes zustande bringt. Der Bohrer meinte dazu: Gut, ich gehe. Aber dann gehört die Schraube auch nicht hierher, sie dreht sich x-mal um sich selbst, bis sie an ihr Ziel kommt.
Wie aber ist es dann mit dem Maßstab, fragte die Schraube. Du, Maßstab urteilst doch nur über andere, alle müssen sich nach dir richten. Der Maßstab klagte daraufhin über das Schmirgelpapier, es habe zu raue Manieren und ständig Reibereien mit anderen. -

Mitten in diese erregte Diskussion trat der Schreinermeister herein. Er ging zur Werkbank und fing an, mit Hammer und Hobel, Bohrer und Schraube, mit Maßstab und Schmirgelpapier und allen anderen Werkzeugen zu arbeiten. Er wusste sehr wohl, dass er alle seine Werkzeuge gut gebrauchen konnte und zwar jedes in seiner Art.

Nicht anders ist es in der Gemeinde. Wir können natürlich viel Zeit und Kraft investieren, indem wir uns wundern und ärgern über die andere Art und die andere Begabung der Mitchristen um uns. Warum der eine so viel redet und der andere nicht aus sich herausgeht, warum der eine immer so pünktlich ist und der andere immer zu spät kommt, warum der eine im Jugendkreis schnell eine Aufgabe übernimmt und der andere sich lieber zurückhält.usw.
Wir können uns darüber ärgern und es ist nicht damit getan, dass wir über die Unterschiede den Mantel der Liebe decken. Wir können aber auch das Gute sehen und das Gutes daran ausschöpfen:
Wird nicht der Pünktliche im Kreis noch Zeit haben, den Raum zu richten? Ist nicht der andere zu spät, weil er daran gedacht hat, noch bei jemandem anzurufen, der schon lange nicht mehr gekommen ist? Kann nicht der, der viel redet, auch leicht auf andere zugehen, Gäste ansprechen, Peinlichkeiten überbrücken? Hat der der schweigt, vielleicht einen tieferen Blick für den, der über seine Not gerade nicht reden kann?

Nicht die Unterschiedlichkeit ist das eigentliche Problem der Gemeinde sondern die Art, wie wir damit umgehen. Paulus sagt: Es gibt zwei Fehlwege, die einander genau entgegengesetzt sind.
- Der eine sagt: Weil ich nicht kann, was der andere tut, bin ich kein Teil der Gemeinde. So jemand versteckt sich hinter wirklicher oder vorgeschobener Bescheidenheit. Vielleicht hat man es ihm aber auch einfach schon oft genug gesagt: "Du kannst nichts und aus dir wird nichts." Aber gerade in der Gemeinde gilt: "Du kannst nichts?" - gibt`s nicht!
- Die andere Falle, die andere Seite des Pferdes, auf der man herunterfallen kann, lautet: Weil du nicht bist wie ich, bist du nicht Teil der Gemeinde.
Kein Kopf sagt zum kleinen Finger: Dich brauche ich nicht, weil du nicht denken kannst. Wie denn soll der Kopf sein Denken umsetzen, wenn er seine Finger nicht hat. ..Kein Herz sagt zu den Beinen: Euch brauche ich nicht, ihr seid mir zu weit weg. Nein, ohne Bewegung fällt der Blutdruck ab, das Herz wird schlaff und müde.
Für unseren Körper leuchtet es ein. Und - so sagt uns Paulus - in der Gemeinde ist es nicht anders....
Vielleicht wächst in unseren Gemeinden so wenig, weil wir ständig dabei sind, einander durch Kritik und Misstrauen zu beschneiden, weil wir es in unserer Selbstverliebtheit nicht schaffen, den anderen groß rauskommen zu lassen statt uns selbst zu profilieren.

Zwischenüberlegung:
Noch einmal halten Sie miteinander inne und überlegen, inwieweit das eben bedachte für Ihr Miteinander im Hauskreis wichtig sein kann.- Zu welchem der zwei Fehlwege neigen Sie persönlich vielleicht mehr ? Hat Ihnen Ihr Hauskreis dabei geholfen ?

3. Die Gemeinde ist der Christus, sein Leib und deshalb sind die Glieder füreinander da.
Das gilt als Ermahnung für die beiden, für die, die sich hinter anderen verstecken und für die, die sich gerne in den Vordergrund rücken. Was uns als Gabe und Begabung gegeben ist, ist dazu da, dass es den anderen zugute kommt.
Wir wissen alle sehr genau, dass Muskeln, die nicht eingesetzt werden, mit der Zeit erschlaffen. Darunter leiden alle Kranken, das betrifft alle Teile unseres Körpers, sei es der kleine Finger oder der Oberschenkel, der Bizeps oder die Rückenmuskulatur. Sie brauchen alle Bewegung, sie müssen eingesetzt werden, um ihre Kraft zu entfalten.
So wird auch jede Gabe verkümmern, die nicht zum Einsatz kommt in der Gemeinschaft, in der wir stehen.
Es gibt einen "Verlern-effekt", wenn wir glauben uns zurückhalten zu müssen, nur weil uns das in Demut geboten scheint. Demut ist gerade das andere. Demut ist der Mut zu dienen... Wer es tut, wer seinen Beitrag bringt, wird merken, dass er daran wächst, wie auch die anderen zusammenwachsen.
Unsere Gaben sind für die anderen da, das gilt auch denen, die ihre Begabungen wohl kennen und sicher mit ihnen auch in der Öffentlichkeit umgehen. Gaben unseres Gottes werden dann erst richtig wertvoll, wenn sie den anderen nützen... In der Gemeinde geht es nicht darum, dass der eine den anderen in den Schatten stellt, sondern dass einander das Leuchten Christi zugänglich machen....
Wenn es um unseren Leib geht, dann setzen wir so manches ein, damit er fit und gesund bleibt. Da hören wir auf die Schmerzsignale und gehen ihnen nach, auch wenn es bisweilen dauern kann, bis die Ursache gefunden ist....
Ist die Gemeinde ein Leib, dann müssten da nicht minder Schmerzsignale zu hören sein -

Zwischenüberlegung:
Nehmen Sie in Ihrer Runde auch "Schmerzsignale" wahr über Ihre Gemeinde ? Ob Sie im Hauskreis miteinander überlegen, wo Ihre Gemeinde evt. Hilfestellung benötigt, damit es dort noch mehr zu einem Team- und Gaben-Bewusstsein kommt? - Ob Ihr Hauskreis sich aus seinen eigenen Erfahrungen heraus einbringen könnte?

"Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit"... Für Christi Gemeinde gilt in einem tiefen Sinne: Was wir einander tun, kommt letztlich uns selbst zugute. Was wir einander vorenthalten, lässt die Gemeinde müde und schlaff werden. Wenn wir z.B. aufhören füreinander zu beten, enthalten wir einander die guten Gaben Gottes vor. Wenn einer z.B. an Gott irre wird, bricht vielleicht noch ein anderer mit ein. Gewinnt aber einer auch in der Not einen festeren Glauben, dann hat`s der Nächste leichter, der ins Fragen kommt. Wird einer auf einem schweren Weg getröstet, tröstet sich der andere mit.
Die Gemeinde ist der Christus, sein Leib: deshalb sind wir einander nah wie Glieder an einem Leib, ob es uns bewusst ist oder nicht. ... weil wir einander Helfer sind auf dem Weg zum Ziel, weil wir miteinander den widerspiegeln, der sie geschaffen und erlöst hat: nämlich Christus.

(Diese Predigt hat Pfarrerin Maike Sachs am 21. Sonntag nach Trinitatis 2002 in der Lonsinger Kirche gehalten. Sie ist zZt. Pfarrerin im Amt für miss. Dienste, Stuttgart und gelegentliche Autorin in "Bibel aktuell". Sie ist hier leicht gekürzt für die Hauskreis-Situation abgedruckt. )