© 2004 – Hauskreisarbeit der Evang. Landeskirche, Württ.

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Perspektiven Nr. 35
Das biblische Wort: Johannes 10 - "Tür zum Leben"

Menschen

Menschen blicken nach oben.
Vielleicht erinnern Sie sich mit unserem Bild zurück an jenen Mittag des Sommers 1999, als man in unseren Breiten ganz gebannt nach oben schaute, wo sich die Sonne für kurze Augenblicke verfinsterte. Ob Sie sich damals auch ärgerten, als beim Blick zum Himmel nichts Spektakuläres zu sehen war - außer schwarz werdenden Wolken, aus denen es unbarmherzig regnete?

Hier ein Erlebnisbericht aus Tübingen:
"Also, ich fand alles viel beeindruckender, als wenn wir ein Spektakel am Himmel hätten wahrnehmen können. Wissen Sie, da wären wir nur Zuschauer gewesen - hätten begeistert alles von außen angeschaut und zugleich uns auf Distanz gehalten.
Aber nun gab es ja äußerlich nichts zu sehen - außer, dass wir uns plötzlich spüren mussten inmitten einer Welt, die immer dunkler wurde. Verstehen Sie: Dadurch, dass am Himmel nichts zu sehen war, spürten wir viel intensiver, wie wir mitten drin waren in diesem Geschehen, eben unsere Rolle als Zuschauer verlassen mussten.
Gerade noch wurde im Fernsehen gezeigt, wie die Sonnenfinsternis in Cornwall europäischen Boden "betrat", schon überschritt sie bei Saarbrücken die deutsche Grenze und augenblicklich später wurde es um mich herum trübe. Welch ein elementares Gefühl - dieses dunkle Geschehen, das einen unaufhaltsam überrollte!
Welch ein ungewohntes Erlebnis - so unentrinnbar ausgeliefert zu sein. Es war, als würde die Welt für einen Augenblick den Atem anhalten! - Und ich mittendrin auch!
Ich glaube, wenn das Sonnenfinsternis-Spektakel sichtbar gewesen wäre - ich hätte nie so erleichtert durchatmen können, als im ersten hellen Schimmer der Mond die Strahlen der Sonne für unseren Blick wieder frei gab."
Fernseh-Kommentar am selben Abend: "Der vielerorts angedrohte Weltuntergang fiel wieder einmal aus!"
Menschen blicken nach oben - gespannt? Hilflos? Irritiert? Wonach sie wohl ausschauen? Häufig geht der Blick nach oben, wenn wir auf Erden nicht mehr so recht weiter wissen.
Vielleicht gehören Sie auch zu denen, die zum Jahreswechsel zum Himmel sehen - nicht nur wegen des bunten Feuerwerks, mit dem wir das neue Jahrtausend begrüßen. Ob sich in Ihrem Blick zum Himmel auch ein wenig Unsicherheit widerspiegelt, wie es denn weitergehen wird jenseits der Jahrtausendwende? Welchen Zeichen des Himmels werden wir folgen? Und wo sind verlässliche Stimmen, die uns vor Sackgassen, Irrwegen und Lebensfinsternis bewahren?

Gut, dass wir Christen sogar bei einem Jahrtausend-Wechsel nicht erschreckt hochschauen müssen nach irgendwelchen Zeichen des Himmels. Wir haben den, der vom Himmel uns geschickt ist für alle Zeiten: Jesus. Und der bietet sich uns in seiner Person an als Tür zum Leben!

Der Text: Da sprach Jesus: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer nicht zur Tür in einen Schafstall hineingeht, sondern anderswo einsteigt, der ist ein Dieb und Räuber. Wer aber zur Tür hineingeht, ist der Hirte der Schafe...
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen. Alle, die vor mir gekommen sind, die sind wie Diebe und Räuber. Aber die Schafe haben ihnen nicht gehorcht.
Ich bin die Tür. Wenn jemand durch mich eingeht, der wird gerettet werden und wird ein- und ausgehen und Weide finden. Ein Dieb kommt nur, dass er stehle, würge und umbringe. Ich aber bin gekommen, dass sie das Leben und volles Genüge haben sollen. (Johannes 10, 1-2. 7-10)

Zwischen-Überlegungen

1.      Jene eben beschriebenen "Tür-Qualitäten" haben Menschen immer wieder aus der Nähe Jesu erfahren? (Besprechen Sie miteinander, woran man erkennen kann, dass es sich tatsächlich um die Nähe Jesu handelt.)

2.      Im Text ist auffallend, wie oft von "Dieben" die Rede ist, die da an die Lebensqualität, ja, ans Leben selber wollen.

o       Haben Sie es schon einmal erlebt, dass da jemand - wie ein Räuber - in Ihr Leben eindrang (oder sich auch einschlich), und Ihnen irgendwie "ans Leben" wollte?

o       Wann haben Sie gemerkt, dass Ihnen da jemand die "Lebensluft" abschnürt und wie sind Sie aus dieser bedrohlichen Situation wieder herausgekommen?

o       Haben bestimmte Menschen als "Retter" Ihnen dabei geholfen?

Was damals "los" war
In Palästina gab es für jedes Dorf ein Gemeinschaftsgrundstück. Das war abgegrenzt durch unbehauene Kalksteine und Dornengestrüpp. Dort hinein trieben die Dörfler abends ihre Schafe, damit sie geschützt sind über die Nacht vor organisierten Diebesbanden oder wilden Tieren.
Am einzigen Eingang - ungefähr 1.50 m breit - sass der Wächter. Der gewährte in der Frühe den einzelnen Besitzern Einlass. Und wenn dann die Hirten kamen, riefen sie aus der großen Menge ihre eigenen Tiere heraus, um sie auf eine der Weiden zu führen.

Text-Vertiefung
Jesus sagt hier ja interessanterweise nicht wie an anderen Stellen der Bibel "Ich bin der gute Hirte", sondern hier wendet er ein neues Bild auf sich selber an - sogar zweimal: "Ich bin die Tür zu den Schafen".
Wieder steckt bei Jesus ein ganz konkreter Alltag dahinter (wo denn sonst sollen wir Jesus finden als im ganz konkreten Alltag):
Der Wächter am Eingang zum Schafspferch legte sich nämlich, wenn es dunkel wurde, quer in den Eingang hinein. Das war für die Nacht praktisch und bequem zugleich, denn: Wer hineinwollte zu den Schafen, der stolperte zwangsläufig über ihn.
Also: Der Wächter war tatsächlich auf diese Weise wie "die Tür". Und wenn Jesus sagt: "Ich bin die Tür", dann ist er zwangsläufig die Tür, die da quer liegt. Das heißt: Wer da in die Gemeinschaft derer, die zu ihm gehören, hinein will, der kann nicht von vornherein über Jesus hinwegsteigen, ja der wird irgendwann mit seinem ganzen bisherigen Leben über diesen Jesus stolpern - und wer stolpert, der kommt dabei bisweilen gehörig aus dem Tritt - der findet früher oder später mit Jesus irgendeine Schwelle seines Lebens, die er überwinden muss.

Zwischenfragen

·        Sitzen in Ihrem Hauskreis auch alles Menschen, die auf irgendeine Weise irgendwann über diesen Jesus gestolpert sind? Haben Sie einander davon schon einmal erzählt?

·        Wer stolpert, der sucht mehr oder weniger mühsam sein Gleichgewicht wieder. Können Sie einander im Hauskreis anvertrauen, wenn Sie persönlich "so richtig ins Schleudern" gekommen sind? Dies einander mitzuteilen schafft tiefere Gemeinschaft im Hauskreis!

·        Übrigens: Manchmal ziemlich schmerzhaft, denn stolpern tut man ja für gewöhnlich ganz unverhofft. Wer hat Sie dabei aufgefangen? Wer hat Sie eher "links liegen gelassen"? Wie verhielten sich Ihre Mitchristen dabei?

·        Wann sind Sie denn das letzte Mal über diesen Jesus gestolpert? Welche "Lebensart Jesu" bzw. welches seiner Worte war für Sie besonders herausfordernd bzw. "umwerfend" für Ihren bisherigen Lebensstil?

Text-Vertiefung
Fazit: Wenn Jesus also sich selber anbietet, als die Tür unseres Lebens anbietet, dann öffnet sich für uns also nicht das "Tor zum Paradies" - abgelöst von allen irdischen Zumutungen - dann macht er uns im Gegenteil den Lebensweg weit offen in ein Miteinander, zu dem wir viel Mut brauchen.
Darum steht da noch etwas ganz Schönes im Text:
Wer durch mich hindurchgeht, der wird gerettet.

·        d.h.: Wer über mich stolpernd hineingerät in die Gemeinschaft der Mitstolpernden, der braucht keine Angst mehr zu haben, dass er im Leben zu kurz kommt (wie ein Räuber und Dieb, der meint, er müsse auf alle mögliche Weise für sich selbst sorgen - gerade auf Kosten anderer);

·        d.h.: Rettung ist angesagt, wenn wir Jesus die "Tür" - den Zugang - zu anderen Menschen sein lassen, also zu denen, die neben uns aufwachsen oder Kräfte verlieren, sich freuen oder weinen, lieben oder hassen;

·        d.h.: Wer sich durch Jesus immer wieder einmal in seiner Lebensführung und -einstellung ins Schleudern bringen lässt, der wird mutig und tapfer. (Also gerade das Gegenteil von allem räuberischen, lichtscheuen Gesindel.)

Wie der Text im Hauskreis lebendig wird
Zwei Impulse können dafür hilfreich sein:

·        Wenn Jesus sagt: "Ich bin die Tür zu denen, die mir anvertraut sind!", dann spricht er nicht nur eine "verrammelte" Tür an, die vor Einbrechern zu schützen vermag. Dann meint er mit seinem Bildwort gerade auch die geöffnete Tür - ein Sinnbild für eine Erlaubnis, einzutreten. Wohin? Jesus würde sagen: Ins Reich der Möglichkeiten Gottes.

·        Erörtern Sie miteinander, welche Erlaubnis aus der Nähe Jesu Sie schon vernommen haben. - Hier ein paar Beispiele:

o       Es ist in Ordnung, Fehler zu machen und sich zu irren! - Ich kann aus der Vergebung leben - mehr als dass ich eine Schuld niederdrücken könnte - und ich darf aus meinen Fehlern und Irrtümern lernen und mich daran weiterentwickeln

o       Es ist in Ordnung, sich etwas zu wünschen, oder etwas zu wollen. Ich darf dabei auch andere um das bitten, was ich brauche

o       Ich habe das Recht, mir Zeit zu lassen und langsam zu sein. Ich nehme mir so viel Zeit, wie ich brauche. Ich habe mein eigenes Tempo

o       Ich muss kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich mich freue und Spaß habe. Ich kann lachen, Humor entwickeln und unter der Sonne Gottes etwas gelassener mit mir umgehen

·        Wenn wir Jesu Anspruch ernst nehmen "Ich bin die Tür zum Leben für euch und euer Zusammenleben!" - dann heißt das: "Zwischen uns und den anderen stellt sich Christus und er möchte unsere Beziehung aus seiner Nähe bestimmen". Überlegen Sie miteinander, was das dann heißen kann

o       an Ihrem Arbeitsplatz

o       in Ihrer Ehe und Familie

o       für Ihre Freizeitgestaltung

o       im Bereich Ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung

Wie kann dort dann die Erfahrung wachsen, die Jesus am Schluss seines Bildwortes uns zuspricht:
Ich aber bin gekommen, um die Fülle des Lebens zu bringen?
Sprechen Sie miteinander darüber im Blick auf die beiden folgenden Zeichnungen zu Markus 10,25, vom "Kamel", dem "Nadelöhr" (einem besonders engen Stadttor nach Jerusalem) und dem "Reichen".

Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr,
als ein Reicher ins Reich Gottes kommt.
Mk 10,25