© 2004 – Hauskreisarbeit in der Evang. Landeskirche, Württ.
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Bibel
aktuell, Nr. 86
Problemfeld:
Warum ich mein Kind taufen lasse
Über Jahrhunderte haben die
Glieder unserer Kirche ganz selbstverständlich ihre Kinder bald nach der Geburt
zur Taufe gebracht. Im Gefolge von Aussagen des Theologen Karl Barth zum Verständnis
der Taufe sowie durch Einflüsse baptistisch oder charismatisch gesinnter
Gruppen aus dem amerikanischen Bereich sind manche Eltern im Blick auf die
Kindertaufe ins Fragen gekommen.
Wäre die Taufe nicht erst dann angebracht, wenn sich
unser Kind selber für den Glauben entschieden hat?
Ja, manche jungen Christen lassen sich aus diesem Grund sogar in solchen
Gruppen wiedertaufen. Wäre die Taufe das Zeichen, mit dem der Mensch bekennt,
dass er zum Glauben an Jesus Christus gefunden hat, dann wäre eine solche
„Glaubenstaufe" konsequent.
Ich möchte im Folgenden darlegen, warum ich mich für die Taufe meiner kleinen
Kinder entschieden habe:
1. Weil mir die reformatorische Sicht des biblischen Zeugnisses einleuchtet
Im biblisch-reformatorischen Sinn steht bei der Taufe nicht das Bekenntnis des
Menschen im Mittelpunkt. Die Taufe ist ein „Sakrament", eine Gabe Gottes,
ein Geschenk. Nicht „Ich lasse mich taufen", sondern: „Ich empfange die
Taufe als Gottes persönliches Geschenk für mich".
Die Taufe erfolgt nach dem Neuen Testament auf den Namen Jesu (Apg 2,38) bzw.
entsprechend dem Taufbefehl auf den Namen des dreieinigen Gottes (Mt 28,19).
Sie gibt dem Getauften Anteil an dem durch Jesu Tod und Auferstehung gewirkten
Heil und gliedert ihn ins Gottesvolk des Neuen Bundes ein. In der Taufe wird
mir also aufgrund des für mich geschehenen Heilswerks Jesu Gottes Gnade
zugesprochen und „zugehandelt": „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich
erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!"
Das Neue Testament berichtet immer wieder von der Taufe ganzer Häuser (Apg
16,15; 16,33; 1 Kor 1,16). Gewiss lässt es sich weder widerlegen noch beweisen,
dass Kinder hier mit eingeschlossen waren. So viel wird allerdings deutlich:
Das Neue Testament denkt in der Frage der Taufe nicht individualistisch,
sondern in Familienverbänden. Alle, für die z.B. Lydia die Verantwortung hatte
(Apg 16, 14-15), sind mit eingeschlossen in das Heil, das ihr widerfährt.
2. Weil ich meinen Kindern nicht vorenthalten will, was mein Leben hält und
trägt
Bedenken Sie zunächst das folgende Gespräch zweier Mütter und nehmen Sie dazu
Stellung: In einer Klinik liegen zwei Mütter in einem Zimmer und sprechen über
die Taufe ihrer Kinder. „Ich finde, unser Kind soll später selbst entscheiden,
ob es getauft werden will. Diese persönliche Entscheidung wollen wir nicht
vorwegnehmen." Die andere Mutter antwortet: „Werden Sie denn auch sonst in
Ihrer Erziehung dem Kind keine Maßstäbe nahe legen, damit es sich später einmal
völlig unabhängig entscheiden kann?" Die Bettnachbarin schweigt. Nach
einiger Zeit sagt sie: „Sie haben Recht. Eigentlich treffen wir auch sonst
viele Entscheidungen, die das Leben unseres Kindes sehr stark beeinflussen.
Mein Mann überlegt sich gerade, ob er ein Angebot seiner Firma für eine Aufgabe
in Südamerika annehmen soll. Wenn wir für längere Zeit nach Südamerika gehen,
beeinflussen wir auch sehr stark das Leben unseres Kindes, ohne es zu fragen,
ob es das will." Die andere Mutter sagt dazu: „Wir lassen unser Kind bald
taufen. Ich möchte einfach nicht, dass ich zur Kirche gehöre und mein Kind
nicht. Ich möchte auch, dass mein Kind sich möglichst früh selbst sagen kann:
Ich bin getauft, ich kann mich darauf verlassen, dass Gott mich lieb hat."
Wenn christliche Eltern ebenso Verantwortung haben für die Kinder, die ihnen
von Gott geschenkt wurden, warum sollten sie ihnen das Beste vorenthalten, was
sie ihren Kindern geben können und was ihrem eigenen Leben Halt, Sinn und
Erfüllung gibt: Den Zuspruch der Gnade und der Liebe Gottes?
3. Weil die Taufe heilsnotwendig und die Segnung von Kindern dafür keine
Alternative ist
Wenn darauf eingewendet wird: „Kinder bedürfen nicht der Gnade, sondern des
Segens Gottes", dann stimmt dies nicht überein mit dem Zeugnis des Neuen
Testaments. Der Schöpfungssegen (1 Mose 1,28) wirkt sich bereits darin aus,
dass diesen Kindern das Leben geschenkt ist. Er braucht nicht in einem
besonderen und der Taufe ähnlichen Akt der Kindersegnung erst zugesprochen
werden.
Auch die Kinder brauchen Gottes Gnade, weil der Mensch „allein durch die
Gnade" gerettet wird. Der Mensch braucht Gnade doch nicht erst aufgrund
von irgendwelchen Tatsünden, die ein Kleinkind noch nicht begangen hat. Er
braucht Gnade aufgrund der Zugehörigkeit zu einer gefallenen Schöpfung, die die
Erlösung nötig hat. Deshalb geben die reformatorischen Bekenntnisschriften von
der Heilsnotwendigkeit der Taufe auch für kleine Kinder aus.
In Artikel 9 des Augsburger Bekenntnisses heißt es: „Von der Taufe wird
gelehrt, dass sie nötig sei und dass dadurch Gnade angeboten werde; dass man
auch die Kinder taufen soll, welche durch eine solche Taufe Gott überantwortet
und gefällig werden."
„Aber Jesus hat doch keine Kinder getauft, er hat sie gesegnet", wird
immer wieder eingewandt. Zunächst sollte aber gesehen werden, dass es wohl
einen Taufbefehl Jesu, aber keinen Auftrag zur Kindersegnung gibt. Darüber
hinaus muss der heilsgeschichtliche Ort der Kindersegnung beachtet werden.
Jesus hat weder an Kindern noch an Erwachsenen eine christliche Taufe vollzogen.
Die christliche Taufe ist erst nach seinem Tod und seiner Auferstehung möglich.
Falls Jesus überhaupt getauft hat (Joh 4, 1-2), hat er die Bußtaufe des Täufers
Johannes vollzogen.
Von „hinten her", von der Situation der christlichen Gemeinde aus gesehen,
kann die Erzählung von Jesu Kindersegnung auch als Einladung zur Kindertaufe
gelesen werden: „Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht!"
Jedenfalls kann sie nicht als Begründung einer Segenspraxis dienen, die dem
Kind in einer an die Stelle der Taufe tretenden Handlung nur „Gottes
freundliche Zuwendung und gutes Geleit" zusprechen will und vom Anspruch
des Evangeliums entbindet. Inhalt des Segens Jesu ist nach Markus 10,14 nicht
weniger als die Zugehörigkeit zum Reich Gottes. Eine solche Zugehörigkeit gibt
es nicht abgesehen vom Glauben und außerhalb der Gemeinde als dem Leib Christi.
4. Weil die Taufe auf Glauben hin angelegt ist
„Das ist es ja, es gibt doch keine Taufe ohne Glauben!", wird öfters
eingewandt. In der Tat, der alleinige Vollzug der Taufe rettet nicht. Die Taufe
ist auf den Glauben angelegt. „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig
werden" (Mk 16,16). Nur: „Unser Glaube macht nicht die Taufe, er empfängt
die Taufe" (Luther). Von daher hat die Reihenfolge Taufe - Glaube ihren
guten Sinn. Bevor ich im Glauben antworten kann, hat Gott schon das
Entscheidende getan.
Eine Kirche, die so im Gehorsam gegenüber Gottes Wort auch kleine Kinder tauft,
hat allerdings die Verpflichtung zur glaubenweckenden Verkündigung und zur
Weitergabe des Glaubens in ihrem Unterricht. Und die Gemeinde ist mit Eltern
und Paten zur Fürbitte beauftragt, dass das Kind „zu eigenem Glauben kommen und
sich seiner Taufe freuen möge".
Werner Schmückle