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Bibel aktuell, Nr. 86
Problemfeld:
Warum ich mein Kind taufen lasse

Über Jahrhunderte haben die Glieder unserer Kirche ganz selbstverständlich ihre Kinder bald nach der Geburt zur Taufe gebracht. Im Gefolge von Aussagen des Theologen Karl Barth zum Verständnis der Taufe sowie durch Einflüsse baptistisch oder charismatisch gesinnter Gruppen aus dem amerikanischen Bereich sind manche Eltern im Blick auf die Kindertaufe ins Fragen gekommen.

Wäre die Taufe nicht erst dann angebracht, wenn sich unser Kind selber für den Glauben entschieden hat?
Ja, manche jungen Christen lassen sich aus diesem Grund sogar in solchen Gruppen wiedertaufen. Wäre die Taufe das Zeichen, mit dem der Mensch bekennt, dass er zum Glauben an Jesus Christus gefunden hat, dann wäre eine solche „Glaubenstaufe" konsequent.

Ich möchte im Folgenden darlegen, warum ich mich für die Taufe meiner kleinen Kinder entschieden habe:

1. Weil mir die reformatorische Sicht des biblischen Zeugnisses einleuchtet

Im biblisch-reformatorischen Sinn steht bei der Taufe nicht das Bekenntnis des Menschen im Mittelpunkt. Die Taufe ist ein „Sakrament", eine Gabe Gottes, ein Geschenk. Nicht „Ich lasse mich taufen", sondern: „Ich empfange die Taufe als Gottes persönliches Geschenk für mich".

Die Taufe erfolgt nach dem Neuen Testament auf den Namen Jesu (Apg 2,38) bzw. entsprechend dem Taufbefehl auf den Namen des dreieinigen Gottes (Mt 28,19). Sie gibt dem Getauften Anteil an dem durch Jesu Tod und Auferstehung gewirkten Heil und gliedert ihn ins Gottesvolk des Neuen Bundes ein. In der Taufe wird mir also aufgrund des für mich geschehenen Heilswerks Jesu Gottes Gnade zugesprochen und „zugehandelt": „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!"

Das Neue Testament berichtet immer wieder von der Taufe ganzer Häuser (Apg 16,15; 16,33; 1 Kor 1,16). Gewiss lässt es sich weder widerlegen noch beweisen, dass Kinder hier mit eingeschlossen waren. So viel wird allerdings deutlich: Das Neue Testament denkt in der Frage der Taufe nicht individualistisch, sondern in Familienverbänden. Alle, für die z.B. Lydia die Verantwortung hatte (Apg 16, 14-15), sind mit eingeschlossen in das Heil, das ihr widerfährt.

2. Weil ich meinen Kindern nicht vorenthalten will, was mein Leben hält und trägt

Bedenken Sie zunächst das folgende Gespräch zweier Mütter und nehmen Sie dazu Stellung: In einer Klinik liegen zwei Mütter in einem Zimmer und sprechen über die Taufe ihrer Kinder. „Ich finde, unser Kind soll später selbst entscheiden, ob es getauft werden will. Diese persönliche Entscheidung wollen wir nicht vorwegnehmen." Die andere Mutter antwortet: „Werden Sie denn auch sonst in Ihrer Erziehung dem Kind keine Maßstäbe nahe legen, damit es sich später einmal völlig unabhängig entscheiden kann?" Die Bettnachbarin schweigt. Nach einiger Zeit sagt sie: „Sie haben Recht. Eigentlich treffen wir auch sonst viele Entscheidungen, die das Leben unseres Kindes sehr stark beeinflussen. Mein Mann überlegt sich gerade, ob er ein Angebot seiner Firma für eine Aufgabe in Südamerika annehmen soll. Wenn wir für längere Zeit nach Südamerika gehen, beeinflussen wir auch sehr stark das Leben unseres Kindes, ohne es zu fragen, ob es das will." Die andere Mutter sagt dazu: „Wir lassen unser Kind bald taufen. Ich möchte einfach nicht, dass ich zur Kirche gehöre und mein Kind nicht. Ich möchte auch, dass mein Kind sich möglichst früh selbst sagen kann: Ich bin getauft, ich kann mich darauf verlassen, dass Gott mich lieb hat."

Wenn christliche Eltern ebenso Verantwortung haben für die Kinder, die ihnen von Gott geschenkt wurden, warum sollten sie ihnen das Beste vorenthalten, was sie ihren Kindern geben können und was ihrem eigenen Leben Halt, Sinn und Erfüllung gibt: Den Zuspruch der Gnade und der Liebe Gottes?

3. Weil die Taufe heilsnotwendig und die Segnung von Kindern dafür keine Alternative ist

Wenn darauf eingewendet wird: „Kinder bedürfen nicht der Gnade, sondern des Segens Gottes", dann stimmt dies nicht überein mit dem Zeugnis des Neuen Testaments. Der Schöpfungssegen (1 Mose 1,28) wirkt sich bereits darin aus, dass diesen Kindern das Leben geschenkt ist. Er braucht nicht in einem besonderen und der Taufe ähnlichen Akt der Kindersegnung erst zugesprochen werden.

Auch die Kinder brauchen Gottes Gnade, weil der Mensch „allein durch die Gnade" gerettet wird. Der Mensch braucht Gnade doch nicht erst aufgrund von irgendwelchen Tatsünden, die ein Kleinkind noch nicht begangen hat. Er braucht Gnade aufgrund der Zugehörigkeit zu einer gefallenen Schöpfung, die die Erlösung nötig hat. Deshalb geben die reformatorischen Bekenntnisschriften von der Heilsnotwendigkeit der Taufe auch für kleine Kinder aus.
In Artikel 9 des Augsburger Bekenntnisses heißt es: „Von der Taufe wird gelehrt, dass sie nötig sei und dass dadurch Gnade angeboten werde; dass man auch die Kinder taufen soll, welche durch eine solche Taufe Gott überantwortet und gefällig werden."

„Aber Jesus hat doch keine Kinder getauft, er hat sie gesegnet", wird immer wieder eingewandt. Zunächst sollte aber gesehen werden, dass es wohl einen Taufbefehl Jesu, aber keinen Auftrag zur Kindersegnung gibt. Darüber hinaus muss der heilsgeschichtliche Ort der Kindersegnung beachtet werden. Jesus hat weder an Kindern noch an Erwachsenen eine christliche Taufe vollzogen. Die christliche Taufe ist erst nach seinem Tod und seiner Auferstehung möglich. Falls Jesus überhaupt getauft hat (Joh 4, 1-2), hat er die Bußtaufe des Täufers Johannes vollzogen.
Von „hinten her", von der Situation der christlichen Gemeinde aus gesehen, kann die Erzählung von Jesu Kindersegnung auch als Einladung zur Kindertaufe gelesen werden: „Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht!" Jedenfalls kann sie nicht als Begründung einer Segenspraxis dienen, die dem Kind in einer an die Stelle der Taufe tretenden Handlung nur „Gottes freundliche Zuwendung und gutes Geleit" zusprechen will und vom Anspruch des Evangeliums entbindet. Inhalt des Segens Jesu ist nach Markus 10,14 nicht weniger als die Zugehörigkeit zum Reich Gottes. Eine solche Zugehörigkeit gibt es nicht abgesehen vom Glauben und außerhalb der Gemeinde als dem Leib Christi.

4. Weil die Taufe auf Glauben hin angelegt ist

„Das ist es ja, es gibt doch keine Taufe ohne Glauben!", wird öfters eingewandt. In der Tat, der alleinige Vollzug der Taufe rettet nicht. Die Taufe ist auf den Glauben angelegt. „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden" (Mk 16,16). Nur: „Unser Glaube macht nicht die Taufe, er empfängt die Taufe" (Luther). Von daher hat die Reihenfolge Taufe - Glaube ihren guten Sinn. Bevor ich im Glauben antworten kann, hat Gott schon das Entscheidende getan.
Eine Kirche, die so im Gehorsam gegenüber Gottes Wort auch kleine Kinder tauft, hat allerdings die Verpflichtung zur glaubenweckenden Verkündigung und zur Weitergabe des Glaubens in ihrem Unterricht. Und die Gemeinde ist mit Eltern und Paten zur Fürbitte beauftragt, dass das Kind „zu eigenem Glauben kommen und sich seiner Taufe freuen möge".


Werner Schmückle