© 2004 – Hauskreisarbeit der Evang. Landeskirche, Württ.

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Bibel aktuell, Nr. 85
Zeiten-Wende - Wende-Zeit
(Lk 1,57-80)

Hinführung: Was damals „los" war

Eine Weihnachtsgeschichte - mitten im Jahr?
Das Datum von Weihnachten und Heiligem Abend weiß jedes Kind: 24. Dezember! In den kirchlichen Kalendern lesen wir am 24. Juni - sechs Monate vor Heilig Abend - „Johannes der Täufer". Lukas erzählt nämlich in seinem Bericht: Im sechsten Schwangerschaftsmonat der Elisabeth, der Mutter des Johannes, kündigte Gabriel, der Bote Gottes, die Geburt Jesu, des Erlösers an (Lk 1,26). Der Sohn der Elisabeth ist also sechs Monate vor Jesus zur Welt gekommen.

Der 24./25. Dezember als Datum der Geburt Jesu ist allerdings, wie man weiß, eine römisch-kaiserliche Festlegung: Nach der Einführung des Christentums als Staatsreligion wurde nämlich der Feiertag des „sol invictus", als der „Unbesiegten Sonne" vom 25. Dezember mit neuem Inhalt gefüllt: „Das ewige Licht geht da herein, gibt der Welt einen neuen Schein...". So hat es Martin Luther im Lied gesagt (EG 23,4).

Ein (nach unserem heutigen Verständnis) „historisch" verbürgtes Jesus-Datum ist der 24./25. Dezember also nicht. Es ist aber ein Zeichen. Wie nach der Winter-Sonnwende das Licht wieder siegt, so hat mit der Geburt Jesu die Zeit- und Welten-Wende ihren Anfang genommen.

Und sechs Monate zuvor ist „Johannes-Tag": hier sah und sieht man den Zusammenhang mit der Sommer-Sonnwende, von der ab die Tage wieder kürzer werden. Wie sagt doch der Täufer von sich selber: „Er - Jesus - muss wachsen, ich aber abnehmen" (Joh 3,30).

Weil Johannes mit seiner ganzen Existenz ein Hinweis auf „ihn" ist, erkennen wir im Sohn von Elisabeth und Zacharias: Die große Wende beginnt! Denn von jetzt an soll das Altwerden und Abnehmen nicht länger ein Vorzeichen unserer Vergänglichkeit sein. Denn Gott selber verbindet mit Johannes die Botschaft: Gottes Ziel heißt nicht „Tod", sondern „Wachsen - Reifen - Vollendet-Werden".

Zum Text: Lukas 1, 57-66
Weil dieser Text deutlich in zwei Teile gegliedert ist (Vers 57-66 erzählend; Vers 67-79(80) psalmartig betend) empfehlen sich zwei Schritte beim Umfang mit diesem Abschnitt. Vorstellbar ist:
- Am ersten Abend Teil 1, abschließend liest man noch betend den „Lobgesang des Zacharias"
- Am zweiten Abend steht dann dieser im Mittelpunkt
Wir lesen den Text nach „Gute-Nachricht-Bibel" von 1997 - (ggf. für alle kopieren). Natürlich kann der Vergleich mit anderen Übersetzungen die Bibelstelle „plastischer" hervortreten lassen.

Annäherung an den Text
· Wie ist es einem Mann zumute, dem „es die Sprache verschlagen hat" über eine Zeit von neun Monaten? Wir bedenken: Das Verstummen war nicht „Bestrafung", sondern „Zeichen" an den Priester Zacharias und im Schweigen bewahrt er das Wunder, das er mit Worten wohl eher zerredet hätte. Übrigens wird er von seinen Nachbarn auch noch für taub gehalten - siehe Vers 62.
· Womit könnte die Wartezeit ausgefüllt sein? Bedenken wir: Als altgewordener Priester war er Jahr um Jahr zweimal im Tempel: Opfer und Schuld, Schuld und Opfer, jedoch: „Nichts Neues unter der Sonne" (Pred 1,9). Sein priesterliches Handeln: erfolglos. Sein Priester-Leben: „unfruchtbar", denn ohne Sohn stirbt sein Priester-Amt aus. Und weiter: „Zacharias" heißt: „Gott gedenkt" - was aber ist davon zu sehen? Anfechtung über Anfechtung! Dann aber die Ankündigung der Wende! - Vermutlich hat Zacharias im Schweigen die „Schrift" bedacht: Vom alten Manne Abraham (1 Mose 12,1ff; Ps 105,1-9.42-45; Ps 106,1-6.40-43 u.a.)
· Wie geht es einer in hohem Alter schwanger gewordenen Frau? Wenn man „es sieht" - bis zur Geburt des Sohnes... (vgl. Lk 1,23-25; 39-45)
· Was mag zwischen Elisabeth und Zacharias abgelaufen sein?
· Ob wir uns dabei auf drei kleine Erkundungsphasen einlassen?
a) Stille-Phase: Jede/jeder bedenkt für sich die oben angebotenen Fragen.
b) Wir versuchen, die Menschen Elisabeth - Zacharias - die Nachbarn lebendig vor uns zu sehen/zu hören... Dazu zwei bis drei Kleingruppen bilden: Du bist Zacharias/du bist Elisabeth/du bist eine Nachbarin...
c) Alle drei führen ein Gespräch - natürlich, nachdem Zacharias wieder sprechen kann!

Was man nicht gleich versteht
„Beschneidung" setzt das unverlierbare Zeichen an den Männern: Du bist in den Bund Gottes mit Abraham aufgenommen!
Der Name des Vaters für den Sohn zeigt: Die Kette der Generationen bricht nicht ab, die Kette derer, die den Segen tragen und weitergeben. Den „Aaronitischen Segen" (4 Mose 6,24ff) darf bis heute in der Synagoge nur der erteilen, der priesterlicher Herkunft ist: er heißt z.B. „Cohen"/"Kohn" o.ä., weil „Kohén" der Priester ist.
Was bedeutet es, dass der Sohn nicht gleich heißt wie der Vater? Vers 76: Er folgt nicht nach im Priester-Dienst; er wird „Prophet des Höchsten". - Un was heißt „Johannes", der Name, den Gott dem noch Ungeborenen bestimmt (V. 13)? Auf Deutsch: „Gott ist gnädig"; dies ist sozusagen die Kurzfassung des ganzen „Lobgesang des Zacharias".

Fragen als Zwischenüberlegung
· Wo in der Geschichte möchte ich am liebsten dabei sein?
· Welches Wort hat mich besonders angesprochen?
· Wohin setzt mich der Text in Bewegung?
· Wozu bewegt mich Gott?
Wenn damit der erste Abend ausgefüllt ist, schließen wir ab, indem wir das „Benedictus" (so heißt der Lobgesang des Zacharias in der liturgischen Sprache) gemeinsam beten - siehe z.B. EG Nr. 779,6 (württ. Ausgabe), wobei wir die Noten nicht beachten müssen.

Hinführung zum Text: Lukas 1, 67-79(80)
Ein Lobgesang
Es ist zum Staunen: Das erste Wort, das Zacharias nach 9monatigem Schweigen spricht, heißt (V. 64+68): „Gelobt sei Gott!" Hätten wir das auch gesagt? Das ist freilich mit unserem Stoßseufzer „Gott sei Dank!" nur ungenau wiedergegeben. Denn „Gott loben" ist in den beiden Ursprachen der Bibel eins mit „Segen". Menschliches Loben ist also das Echo, der Nachklang auf Gottes segnendes Handeln! Und umgekehrt: Wo Gott nicht segnet, kann der Mensch nicht loben! Also: Wer als Gesegneter seinen Gott lobt, steht im Einklang mit Gottes Willen, mit Gottes Tun. Gesegnete sind freigemacht zum Loben, zum Helfen, aber auch zum Loslassen eigener Pläne und Wünsche... Wenn wir dies innerlich aufgenommen haben, lesen wir den Lobgesang.

Impuls-Fragen
· Was fällt uns auf? Ein Blick auf die biblischen Paralle-Stellen, die als Fußnote genannt sind, zeigt: Die Worte des Zacharias sind „getränkt" mit Zitaten aus der Hebräischen Bibel, also dem Alten Testament. Könnte das nicht eine Frucht des langen Schweigens sein?
· An welchem Wort - an welchem Bild bleibe ich spontan hängen? Mit Fragen?
- Stille-Phase -
· „Anhör-Kreis": Gemeint ist: Freude und Fragen werden „in die Mitte gelegt" - wenn möglich sogar auf Zetteln. Aber sehr wichtig: Das Geschriebene/Gesagte wird von den andern nicht kommentiert. Es bleibt so stehen!

Was der Text wollte
Vers 68: „Gespriesen" - siehe oben zu „Segen"
„Der Herr" - damit ist der geheimnisvolle hebräische Name Gottes umschrieben. „Jahwe" bedeutet: „Ich bin - ich bin da - ich bin für dich da - ich ändere mich nicht" (2 Mose 3,14ff; Mal 3,6). Dies entfaltet der gesamt weitere Text!
„Besuchen - erlösen" (Luther-Text) erinnert an den Auftrag, den Mose in der Kraft Gottes ausführt.

Vers 69: Der „starke Retter" (Gute Nachricht) heißt wörtlich „Horn des Heils, der Rettung". Dazu Luther in seiner Evangelien-Auslegung: „Horn ist hebräisch geredet und bedeutet Gewalt, Trotz, Herrschaft... Christus (aber) ist Gott und Herr, und sein Horn, das ist seine Gewalt, nämlich sein Wort..."

Vers 70ff: Bilder zur Rettung. Gott steht zu seinem Wort, das er durch Propheten hat ergehen lassen; er hat sich durch einen Eid selber gebunden („Bund"), seit Abraham und durch die Kette der Generationen hin („Vorfahren"). - Alle hier gebrauchten Bilder zur „Rettung" werden für jeden Juden lebendig, wenn er Passa feiert, das jährlich begangene Fest der Befreiung.

Vers 72: „Nie seinen heiligen Bund vergessen". - Wörtlich (so auch Luther-Übersetzung): dass er an seinen Bund „gedenkt". Das ist eines der ganz großen Worte der biblischen Botschaft: Woran Gott „gedenkt", das ist „von Gott gegenwärtig und lebendig" - sei es der Bund, seien es Menschen (vgl. Ps 106,4 und an vielen anderen Stellen).
Mit Gottes „Gedenken" gewinnen alle Aussagen dieses Lobgesangs volle Aktualität; sie sind nicht ein farbenprächtiges Zukunftsgemälde. Vielmehr: So, wie dieses jetzt noch kleine Kind wachsen wird und stark werden (V.80), so „wachsen" die Verheißungen, sie gewinnen Kraft, sie sind auf dem Weg zur Vollendung.
Auf diesen Weg ruft Gott sein Volk, ruft er uns. Sein Licht „lenkt unsere Füße auf den Weg des Friedens" (V.79). Gott befreit sein Volk von der Last der Schuld (V.77), damit es ihm „dienen" kann „als Menschen, die ganz ihrem Gott gehören" (V.75 nach Gute Nachricht).
Hier kommt es klar ans Licht: „Gottes-Dienst" ist zuerst der Dienst, den Gott uns tut; dann ist es unser Dienst für Gott und für seine Menschen und seine Welt - sowohl betend wie auch gehorsam handelnd.

Vers 76+77: Du, Kind, wirst der Wegbereiter des Retters sein (vgl. Lk 3)! Du beginnst, was der Retter und Erlöser ans Ziel bringen wird.

Vers 78+79: Unser Gott, voll mütterlichen Erbarmens, schickt den Retter als das „Licht das von oben kommt". Genauer: Das „in der Höhe aufgehende Licht" im Unterschied zur Sonne, die bekanntlich am Horizont aufgeht; darum aber geht sie auch am Horizont wieder unter. Der „Aufgang aus der Höhe" jedoch ist das göttliche Licht, das „keinen Abend kennt", also keinen Untergang, wie es in einem sehr alten Lied von Christus heißt.
Das tiefe Bild von unseren „Füßen, die Gottes Licht auf den Weg des Friedens lenkt", muss man in sich aufnehmen und innerlich betrachten. Dabei mag man erkennen, dass Christus es ist, der die Spuren, die wir hinterlassen, nicht aufdeckt und „sichert", sondern dass er sie verwandelt, ihnen seine eigene Richtung gibt, „in seinen Frieden hinein".

Vers 80: Das Kind Johannes wuchs heran, und sein Geist, sein Verstand wurden stark. Selbstverständlich? Nein! Gott bewirkt das Wachsen und die Kraft. Und zugleich erinnert das Bild vom Wachsen daran, dass Gottes Werk zwar angefangen hat, aber noch nicht ans Ziel gekommen ist. Also: Das auch wir noch wachsen und werden dürfen - auf dem Weg sein - , aber wir müssen noch nicht volkommen, „perfekt" sein! (vgl. Phil 3, 12 ff)
Übrigens ist das Wort vom Wachsen auch ein Hinweis darauf, dass der „Täufer" erst an die Öffentlichkeit tritt, treten darf, wenn er 30 Jahre alt ist. So war es die Regel unter den Juden zur Zeit Jesu, sozusagen: „Trau keinem unter dreißig!"

Noch etwas: Der erwähnte „Rückzug in die Wüste" könnte bedeuten, dass Johannes bei der Sonder-Gemeinde der „Essener" Anschluss gefunden hat; seine hochbetagten Eltern dürfte er schon im Kindesalter verloren haben. Das könnte auch eine Erklärung sein für seine asketische Lebensweise (z.B. Lk 7,33 und Lk 1,15 u.a.) Sie ist aber vor allem anderen das unübersehbare Zeichen: Wichtiger als gutes Essen und bequeme Kleider ist alles, was mit Gott zu tun hat!

Was der Text heute bewirken kann
Haben wir nun - nach diesem Gang den Text entlang - nur lauter Einzelteile in der Hand wie der Bub, der Omas alten Wecker zerlegt hat? Wir brauchen doch das Ganze, wir brauchen das Wort, das auch uns die Lebens-Wende bringt!
Beherzigen wir: Der Lobgesang des Zacharias gehört zum ältesten Gebetsgut der Christenheit; und seit viel mehr als tausend Jahren hat er seinen festen Platz im „Morgengebet der Kirche" gefunden (vgl. EG 779,6). Lassen wir es also nicht beim nötigen, zergliedernden Umgang mit diesem Text bewenden. Nehmen wir ihn betend auf in Herz und Leben.
„Gelobt sei Gott! Er ist am Werk. Nicht dem Ende, sondern der Vollendung leben wir entgegen. Diese Wende hat Gott gebracht. Und Johannes ruft uns auf den Weg, den Gott selbst geebnet hat. Es ist seine Antwort auf unsere eigenmächtig gewählten Wege.
Und wie sehen diese aus? Die Schatten werden länger - das Jahr nimmt ab und mit ihm unser Leben. Wir werden alt - und ebenso veraltet alles, war wir in unsere Hand nehmen: Alles ist gleichsam umsponnen von feinen Fäden des Todes, die stark und immer stärker werden. Alles ist durchzogen von den Rissen der Schuld, mehr und immer mehr. Das ist unsere Wirklichkeit.
Gott aber wendet alles: Unser Ende wird bei Gott zum Anfang. Abnehmen - Altwerden, Nicht-mehr-Können soll uns nicht lähmen. Unter der segnenden Hand Gottes wird unser Unvermögen, unsere Schwachheit der Ort, wo Gottes Kraft ans Licht kommt (2 Kor 12,9); gelobt sei Gott!"
Ob wir Lieder kennen, die im Gleichklang mit Zacharias tönen?

Gebet
Herr, du bist unser Vater, wir leben von dir.
Wir bitten dich: Lass es nicht zu, dass wir uns auf unsere eigene Kraft verlassen, denn sie wird abnehmen. Allein das, was du an uns tust, kann bleiben.
Lass uns offen sein für dein Werk im Loben und Dienen, heute und an jedem Tag.
Nimm uns hinein in deine ewige Vollendung!
Wir danken dir, Vater.
Amen.


Werner Knoch