© 2004 – Hauskreisarbeit der Evang. Landeskirche, Württ.
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Bibel
aktuell, Nr. 84
Wir haben seinen Stern gesehen
(Mt 2,1-12)
"Einem Stern folgen - gibt es ein
besseres Bild, ein sprechenderes Gleichnis für die tiefste menschliche
Sehnsucht?" (Eberhard Jüngel)
"An der Geschichte von den Weisen, die gerade als Weise Suchende bleiben,
können wir sehen, worauf es ankommt: Bereit sein, auf die Zeichen Gottes zu
achten, sich von Gott im Alltäglichen unterbrechen zu lassen, sich auf den Weg
zu machen und aufbrechen aus alten Gewohnheiten, um Gott zu suchen."
(Karl-Heinrich Lütcke)
Was damals „los" war
Der Anfang des Matthäus-Evangeliums führt den Stammbaum Jesu bis auf Abraham
zurück, in dem alle Geschlechter und Völker auf Erden gesegnet werden sollen
(1. Mose 12, 3; 22.18). Jetzt erscheinen die Vertreter der Völker, um den
Nachkommen Abrahams, den König der Juden anzubeten. Die Vertreter seines
eigenen Volkes aber, die über die Verheißungen Bescheid wissen, verweigern ihm
die Anerkennung.
Was man nicht gleich versteht
Der Stern
Der Stern erscheint (V. 7) und wird von den Weisen gesehen (V. 2), er
geht voran und weist den Weg nach Bethlehem (V. 9) und er bleibt stehen und
identifiziert den Ort, an dem der neugeborene König zu finden ist (V. 9).
Handelt es sich nur um eine schöne Erzählung, die die damalige Überzeugung
aufnimmt, dass bei der Geburt eines bedeutenden Herrschers dessen Stern am
Himmel erscheint? Will die Erzählung einfach deutlich machen, dass in der
Geburt Jesu sich die auf den Messias gedeutete Weissagung des Sehers Bileam aus
4. Mose 24,17 erfüllt hat: „Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter
aus Israel aufkommen..."? Während die alte Kirche einfach mit einem
Wunderstern rechnete und Calvin die Erscheinung für einen Kometen hielt, gibt
es bereits seit Johannes Kepler astronomische Erklärungen, die den Stern der
Weisen auf eine im Osten sichtbare Begegnung von Jupiter und Saturn im Jahr 7
v. Chr. Deuten. Jupiter gilt als Königsstern, Saturn als der Stern der Juden.
Der Astronom Ferrari d’Occieppo hat seit langer Zeit an dieser Frage geforscht.
Er erklärt das Erscheinen des Sterns im Sinne einer Begegnung von Jupiter und
Saturn, das Stehen des Sterns über Bethlehem mit dem Phänomen eines
Zodiakallichts: „Umso größer muss demnach der Überraschungseffekt für die
Magier gewesen sein, als sie bei ihrem nächtlichen Ritt gen Bethlehem den
glänzenden Jupiter mit Saturn „zufällig" am oberen Ende eines für sie
seltsamen Lichtkegels erblickten, der überdies „wunderbarerweise"
beständig auf die gleiche Stelle des hügeligen Horizonts, ihr Reiseziel
Bethlehem, hinzudeuten schien."
Die Weisen
Von unserer Weihnachtstradition her sind wir gewohnt, bei den „Weisen
aus dem Morgenland" an drei Könige zu denken, die im Laufe der Zeit sogar
mit den Namen Kaspar, Melchior und Balthasar versehen wurden. Nichts davon
findet sich im biblischen Text. Die Dreizahl ist aus der Zahl der Geschenke
Gold, Weihrauch und Myrrhe erschlossen, sie findet sich zuerst bei Origenes
(185-254). Die Indentifikation mit Königen stammt aus einer entsprechenden
Auslegung von Psalm 72,10-11 und findet sich zuerst bei Tertullian (160-220).
Die Namen sind seit dem Frühmittelalter gebräuchlich.
Die Bibel bezeichnet die Weisen als „Magier". Es sind heidnische Gelehrte
aus Babylonien, die sich auf die „Wissenschaft" der Astronomie und
Astrologie verstehen. Sie gelten in der damaligen Zeit als „höchste
Repräsentanten heidnischer Religion und Wissenschaft".
Eine Beschäftigung babylonischer Gelehrter mit den Überlieferungen des
jüdischen Volkes erscheint durchaus denkbar. „Allgemein wird man sagen können,
dass die Beziehungen zwischen dem als Heimat von Astronomie und Astrologie
geltenden babylonischen Osten und Judäa eng waren. Eine Brücke bildete die
zahlreiche Judenschaft des Zweistromlandes, durch die jüdischer Messiasglaube
auch im babylonischen Raum bekannt war und sich durchaus mit Sterndeutung und
der Erwartung eines Weltheilandes verbinden konnte."
Der König Herodes
Herodes der Große regierte von 37 bis 4 v. Chr. über Judäa. Seine
Königswürde war ihm von den Römern verliehen worden. Als Idumäer galt er als
Nichtisraelit und war ziemlich verhasst im Volk. Dauernd in Angst um die
Erhaltung seines Königtums, ließ er alle umbringen, die seiner Herrschaft
gefährlich werden konnten, selbst seine eigenen Söhne. Er machte aus der
Königsburg in Jerusalem „den Ort jeder Bosheit und jedes Verbrechens und
gehorchte einem Machtwillen, der jedes Recht zerriss".
Was der Text wollte
Der Text ist geprägt von Gegensätzen:
- Auf der einen Seite der mächtige König Herodes, auf der anderen Seite der
ohnmächtige König der Juden, das Kind von Bethlehem.
- Hier die Strategie des Herodes und da die Strategie Gottes
- Hier der Glaube der heidnischen Magier und da der Unglaube der angesehensten
Vertreter des Gottesvolkes.
Die Verse 1-8 handeln von der Ankunft und vom Aufenthalt der Magier in
Jerusalem, die Verse 9-12 von ihrem Weg nach Bethlehem und ihrer Anwesenheit
beim neugeborenen König der Juden.
Die Ankunft der Magier (Verse 1-2)
Nach dem Erscheinen des Messiassterns (4. Mose 24,17) haben sich die
Magier auf den Weg gemacht und treffen in Jerusalem ein, an dem Ort, an dem sie
einen neugeborenen König der Juden zu finden meinen. Ihre Absicht ist, diesem
König zu huldigen bzw. ihn anzubeten. Diese Huldigung geschieht so, dass man
sich auf den Boden wirft und mit der Stirn die Erde berührt.
Der Kronrat des Königs (Verse 3-6)
Es ist kaum verwunderlich, dass Herodes angesichts der Botschaft der
Magier erschrickt, befand er sich doch in ständiger Angst vor Rivalen, die ihm
seinen Thron streitig machen konnten.
Der Titel Christus (V.4) macht allerdings deutlich, dass er in diesem Fall mehr
als einen Rivalen fürchtet, nämlich den Messiaskönig Israels. Nach ihm befragt
er seinen „Kronrat". Seine „geistlichen Räte", die Hohenprieser und
Schriftgelehrten, kennen die Verheißungen der Schrift. Der Messias wird in
Bethlehem geboren (Mich 5,1; 2. Sam 5,2).
Um den Messias zu finden, reicht nicht der Stern, dazu braucht es das Zeugnis
der Schrift.
Die Magier lassen sich das sagen, der Messias „wird von denen erkannt, die von
Gott nur wussten, was die stummen Sterne sagen". Diejenigen, die es wissen
konnten, geraten in Furcht, sie lassen sich nicht bewegen, sich auf den Weg zum
Messias zu machen.
Die Befragung der Magier (Verse 7-8)
Herodes selber war wohl Anhänger eines Schicksalglaubens, der sich von
der Deutung der Sterne abhängig machte. Deshalb besaßen die Magier als
Vertreter der entsprechenden Wissenschaft wohl hohe Autorität. Darum verhört er
sie noch einmal ganz privat. Natürlich nennt er nicht die wahren Motive für
sein Interesse.
Der Weg nach Bethlehem (Verse 9-10)
Auf dem Weg nach Bethlehem wird der Stern für die Magier zum Wegweiser
und bestätigt das Wort der Schriftgelehrten. Darüber freuen sie sich mit
unbändiger Freude.
Anbetung und Heimkehr (Verse 11-12)
Die Magier finden das Kind und beten es an. Heiden erkennen damit die
Weltherrschaft des Messias an. Sie bringen ihre Geschenke. Weihrauch und
Myrrhe, die Harze verschiedener Bäume und Sträucher, sind kostbar und dienen
als Parfüm und Räuchermittel. Im Traum weist Gott den Magiern einen anderen
Heimweg an. Träume sind in der Kindheitsgeschichte des Matthäus ein Instrument
der Führung Gottes (1,20.24; 2,13.19.22).
Was der Text heute bewirken kann
An der Geschichte von den Magiern wird deutlich, wer Jesus ist, wie man ihn
erkennen und wie man ihn ehren kann.
Wer Jesus ist
Bereits am Anfang des Matthäusevangeliums wird deutlich, wer Jesus ist.
Er ist Heiland und Herr der ganzen Welt. Darum machen sich Heiden aus der Ferne
auf, um ihm die Ehre zu geben. Johannes Calvin schreibt: „Wahrlich ein
wunderbarer Rat Gottes! In Verborgenheit und Armut ließ er seinen Sohn in die
Welt treten, und dennoch ehrte er ihn hoch durch außerordentliche Zeichen,
damit unserem Glauben nichts fehle, was zum Erweis seiner göttlichen Majestät
gehört."
Dem Kommen der Heiden am Anfang des Evangeliums (vgl. Jes. 60,6) entspricht der
Missionsbefehl, die Sendung der Jünger in die Welt am Ende des
Matthäusevangeliums.
Wie man Jesus findet
Die Magier sind suchende Menschen. Darum machen sie sich auf den Weg,
um den König der Welt zu finden. Ihre Wissenschaft, ihre Sterndeuterei hätte
sie aber zuletzt nicht ans Ziel gebracht. Zuletzt brauchte es das Wort der
Heiligen Schrift, um ihn zu finden. Niemand kann am Wort der Bibel vorbei zu
Jesus finden (Joh 5,39). Damit Gott eindeutig wird, braucht es immer das Wort.
Allerdings, da sind auch Menschen, die alle Verheißungen der Heiligen Schrift
kennen (V.5) und sich doch nicht auf den Weg zu Jesus machen. „Sie wissen
sofort Bescheid...und sie geben sachlich richtige Auskunft...Aber die Fragenden
merken es ihnen an: Sie wissen nicht, was ein sehnsüchtiges Herz ist; sie
wissen nicht, was das heißt: aufgebrochen zu sein, auf der Suche sein, finden
wollen. Sie geben Auskunft wie ein Angestellter am Schalter...Sie sind
auskunftsfähig, aber nicht mehr aufbruchfähig. So bleiben sie unbewegt...
während die von ferne Kommenden, die Leute mit der Sehnsucht im Herzen, sich
auf den Weg machen, den sie das Schriftwort gewiesen hat." Beides gehört
zusammen, wenn man Jesus finden will; das Hören auf das Wort der Bibel und das
Aufbrechen.
Wie man Jesus ehrt
Die Magier fallen vor dem Kind in der Krippe nieder und bringen ihm
ihre Gaben. Sind also unsere Opfer und Spenden gefragt? Die auch, aber
eigentlich geht es um mehr. Edzard Schapers Legende vom vierten König
verdeutlicht das auf ihre Weise:
Da hatte auch im weiten Russland ein kleiner König jenen hellen Stern gesehen.
Auch er hat sich auf den Weg gemacht und an Schätzen mitgenommen, was sein Land
hergab: Säckchen mit Perlen und Felle und Leinen zu Windeln für das Kind. Auf
dem langen Weg sind ihm Menschen begegnet, die seine Hilfe brauchten: Eine
junge Frau, die in einer einsamen Scheune ihr Kind zur Welt gebracht hat und
ein Kaufmann, der ausgeraubt am Wege lag. Mit offenen Händen gibt er allen von
seinen Schätzen ab. Und als er anstelle eines jungen Mannes als Sträfling auf
die Galeere geht, um die von dessen Vater hinterlassenen Geldschulden
abzubüßen, da gehen die Jahre ins Land. Nach mehr als dreißig Jahren erst kommt
er in Jerusalem an, just an dem Tag, als sie den König der Juden ans Kreuz
schlagen lassen. Von seinem Reichtum ist nichts geblieben und für den, den er
beschenken wollte, kann er gar nichts mehr tun. Todtraurig steht er unter dem
Kreuz. Da erinnert er sich, dass er eines noch nicht weggegeben hat. Er wagt es
und fragt den Gekreuzigten: „Herr, ich habe nichts mehr als mein Herz, nimmst
du es an?"
Wie der Text im Hauskreis lebendig wird
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Der
Text ist bestimmt von Gegensätzen. Welche Gegensätze entdecken Sie?
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Welche
Bedeutung hat der Stern in unserer Geschichte? Welche Bedeutung hat er sonst in
der Bibel (vgl. 4. Mose 24,17 und Offb. 1, 16.20) und in Gesangbuchliedern
(vgl. EG 16,4; 69; 70; 407; 540 Württ.).
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Die
Bibel steht der „Wissenschaft" jener Magier ansonsten kritisch gegenüber.
Jedenfalls erfahren Christen ihr Geschick nicht aus den Sternen. Wie erfahren
Sie Gottes Führung? Welche Rolle spielt dabei das Wort Bibel?
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Manche
Ausleger machen sich Gedanken, was sich im Leben der Magier durch den Besuch
beim Kind von Bethlehem verändert hat. Tauschen Sie sich über folgende Aussage
aus: „Wenn die Magier recht bekamen dadurch, dass sie ihre Sterndeutung sowohl
in der Schrift als auch in der Wirklichkeit bestätigt fanden, dann haben sie ja
gewusst, wo und wie; sie sind keine alten Magier des Aberglaubens mehr, sondern
neue Aufklärer des Glaubens geworden".
Werner Schmückle